Sonntag, 11. Oktober 2015

Sadawi

Heute war Paul Brodys Sadawi zu Gast bei den Freien Klängen in der Festung Mark, in der Besetzung
Paul Brody – Trompete
Christian Kögel – Resonatorgitarre
Martin Lillich – Bass
Naomi Scherer – Rezitaition

Wenn Paul Brody seine Band in der Anmoderation kurz als Mischung irgendwo zwischen Klezmer und Jazz beschreibt, dann hat er damit sicher recht – und vereinfacht doch zugleich stark, denn tatsächlich war viel mehr auf der Bühne zu hören. Man merkt, daß er und seine Band in vielen Richtungen der Musik zu Hause sind. Gab es zu Beginn noch klassisch jüdische Stücke, so wechselte die Musik bald zu improvisierten Klängen, die mal auf dem Balkan verwurzelt schienen, bald nach modernen Jazz klangen. Dann auch wieder leise und zart, wenn Brody sich zurücknahm und Martin Lillich den Baß und Christian Kögel die Gitarre spielten. Die Gitarre übrigens ein seltenes Stück, eine metallenen Resonatorgitarre. Die hat zur akustischen Verstärkung der leisen Gitarrenklänge Membranen eingebaut, die ähnlich wie ein zusätzlicher Gitarrenboden durch die Töne angeregt werden und sie lauter klingen lassen.

Zu allem hatte Brody etwas zu erzählen, an zwei Mikrofonen eine Simultanübersetzung seiner eigenen Moderation improvisierend, ein Mikro für den englischen Text, das andere für sich als sein eigener Übersetzer; dabei vor lustigen Anekdoten nur so übersprudelnd. Die langen Moderationen, leise von seinen beiden Kollegen an Baß und Gitarre begleitet, hatten etwas von Poetry Slam, es machte einfach Spaß zuzuhören. Etwa wenn er eine Geschichte ähnlich der vom Josa mit der Zauberfidel erzählte, nur daß diese beim Spielen immer größer wurde und aus dem Josa – kein Wunder – Martin Lillich mit seinem Baß wurde. Oder die Geschichte  einer türkischen Frau, die ihm in einem Berliner Park eine tradionelle Melodie beibrachte. Die Bestätigung der Echtheit der Geschichte gab es dazu: der Gesang war auf Brodys Mobiltelefon gespeichert und wurde am Mikrofon abgespielt.

Nach der Pause las Naomi Scherer drei Texte von Joseph Roth, aus dessen Buch "Juden auf Wanderschaft". Die Lesung wurde durch die Musiker leise mit Musik unterlegt, was die eindringliche Wirkung der Texte noch verstärkte. Joseph Roths Buch aus dem Jahr 1927 beschreibt die ostjüdische Kultur und die Ankunft der jüdischen Auswanderer in Amerika. Vor dem Hintergrund der heutigen Flüchtlingsströme bekommen die fast hundert Jahre alten Geschichten von Einwanderern und Einwanderungsbehörden und von der nur hinter Maschendraht sichtbaren Freiheitsstatue eine ganz neue Aktualität.

Zum Ende des Abends wurde es musikalisch nochmal bunt und laut auf der Bühne. Fröhliche Balkanmusik, mit der Trompete im Mittelpunkt und einer Band, die dazu nochmal alle Register zog.


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