Schon der Titel des Konzerts verspricht ein Zusammentreffen mehrerer Welten. Und so etwas ist es schließlich auch, wenn symphonische Musik auf Jazz-Improvisationen, Sprache auf Tanz trifft.
Saxofon: Warnfried Altmann
Schlagwerk: Hermann Naehring
Philharmonisches Streichquartett Sachsen-Anhalt
1. Violine: Yoichi Yamachita
2. Violine: Dorothea Mertz
Viola: Ingo Fritz
Violoncello: Marcel Körner
Gäste:
Mohamad Issa (Syrien) – arabische Lyrik
Fine Kwiatkowski (Deutschland/Sizilien) – Tanz
Für sein Konzert in der Reihe "Freie Klänge" hatte sich Warnfried Altmann mit dem Philharmonischen Streichquartett einerseits und mit Hermann Naehring andererseits Musiker eingeladen, mit denen er schon lange befreundet ist und gemeinsam musiziert. Die Kombination von scheinbar so gegensätzlichen Musikstilen und Musiziergewohnheiten sah Altmann auch als Möglichkeit, Zeichen für Verständigung zu setzen. Umso mehr, als auch noch Mohamed Issa mit syrischer Lyrik hinzukam, die Fine Kwiatkowski mit Ausdruckstanz in Bewegung umsetzte.
Mit dem Philharmonischen Streichquartett hatte Warnfried Altmann schon vor über 30 Jahren Kontakt. "1983 hatte ich meine erste Schauspielmusik für die Kammerspiele komponiert, die dann von den Streichern des Orchesters gespielt wurde". Und Hermann Naehring ist ihm ohnehin ein guter Vertrauter. "Ich kenne keinen anderen Schlagzeuger, der für seine Klänge solch einen hohen Aufwand betreibt wie Hermann", sagte er über ihn.
Das Konzert sollte auch Brücken schlagen, vom Orient zum Okzident. Und dies im wörtlichen Sinne, denn der Abend begann mit einem Stück von Altmann und Naehring unter dem Titel "Afghanistan". Arabische anmutende Melodien auf dem Saxophon begleitet Hermann Naehring mit seiner großen Rahmentrommel. Den Gegenpol der westeuropäischen Musikkultur bildete Bachs "Air". Bachs ruhige und ausgeglichene steht in Gegensatz zu den tänzerischen Klängen zuvor. Gemeinsam ist beiden, dass sowohl die leisen Trommelrhythmen wie die langsamen Streicherklänge etwas meditatives haben.
Der Titel des folgenden Stückes, "Spaziergang am Gonges" ist unverkennbar ein Wortspiel zwischen dem indischen Fluss und Naehrings Instrumentarium, das eben auch Gongs enthält, von der langen Röhrenglocke über Becken und Handgongs bis zu kleinen Glöckchen. Hermann Naehring tritt an sein Schlagwerk, gibt zunächst mit den Stöcken einen Rhythmus vor, einem tickenden Uhrwerk gleich, und als er diesen Takt noch vervielfältigt, erinnert das an den Auftakt zu Pink Floyds "Time". Bei Hermann Naehring entwickelt sich daraus ein wildes Schlagzeugsolo, in das Warnfried Altmann mit seinem Saxophon wilde Töne setzt. Das darauf folgende Divertimento von Mozart war dann ein ruhiger Gegenpart.
Pachelbels "Kanon", eines der bekanntesten Klassikstücke, brachten die Philharmoniker gemeinsam mit Altmann und Naehring auf die Bühne. In mein Notizbüchlein schrieb ich dazu als Titel "Pachelbel im Regen", denn nach einleitenden Schlägen auf der Röhrenglocke und leisen Streicherklängen des Quartetts nahm Hermann Naehring seinen übermannsgroßen Regenmacher zur Hand und ließ den Regen rauschen und tröpfeln. Warnfried Altmann nahm Pachelbels Melodien auf und ließ sein Saxophon mit warmer Stimmung klingen. "Die immer wiederkehrenden Cello-Melodien bilden eine so wunderbare Gelegenheit darüber zu improvisieren", sagte er später über das Stück.
Nach der Pause griff Hermann Naehring in seinen musikalischen "Zauberkasten", kombinierte die kräftig geschlagene Taiko-Trommel mit Klangschalen und mit dem Geigenbogen gestrichenen Becken zu eineer mystischen Klangstimmung.
Als Gast kamen Mohamad Issa und Fine Kwiatkowski hinzu. Issa rezitierte ein Gedicht in seiner syrischen Muttersprache. Eine Übersetzung oder Inhaltserklärung des Vortrags gab es nicht, aber das war auch nicht unbedingt nötig. Stattdessen konnte man Klang und Rhythmus der Sprache in Verbindung mit den von Altmann sparsam hinzugefügten Saxophontönen auf sich wirken lassen. Fine Kwiatkowski bewegte sich langsam und ausdrucksstark zu Wort und Musik. Eher eine pantomimische Erklärung des Vorgetragenen als ein Tanz schien es zu sein, wenn sie sich in scheinbar unmöglichen Verrenkungen des Körpers bewegte, sich krümmte und streckte, einer Ruferin gleich die Hände an den Mund nahm oder den Raum durchlief. "Ich kannte Mohamads Vortrag vorher nicht, wusste nur, dass es um eine traurige Liebesgeschichte geht. Das habe ich versucht darzustellen", sagte sich nach dem Konzert. "Pantomime ist mir als Begriff ein wenig zu eng gefasst", sagte sie über ihre Art zu tanzen, "aber eine Darstellungskunst ist es auch. Wie ich tanze, das entsteht in mir während des Rezitierens, und dann ist das auch für mich, als würde ich eine Geschichte erzählen". Ein intensives Erlebnis für die Zuschauer, man spürte etwas von der Energie der Tänzerin. Denn auch das sagte sie über sich: "Ich versuche, gute Energie in die Welt zu senden".
Nach der Tanzperformance wirkte die folgende Musik, Dvorzaks "Amerikanisches Quartett", wie wienerische Kaffeehausmusik, melodiös und verspielt. Zum Schluss wurde es nochmal laut: Warnfried Altmann und Hermann Naehring improvisierten über den Choral "Verleih uns Frieden ewiglich", mit Saxophon und der wuchtigen Taiko-Trommel. Den Konzertbesuchern, die gern noch eine Zugabe gehört hätten, gab Warnfried Altmann mit auf den Heimweg: "Diesem Schlusspunkt können wir nicht noch etwas hinterhersetzen, alles was wir jetzt noch spielen würden, würde den intensiven Eindruck des Konzerts stören". Der heutige Tag war auch der Tag der Bundestagswahl, in der Konzertpause gab es schon die ersten Hochrechnungen. Darauf nahm Altmann auch Bezug, als er die Gäste verabschiedete. "Was können wir tun angesichts der Ergebnisse? Vielleicht kann jeder in seinem eigenen kleinen Umfeld etwas tun, dass es friedlich bleibt".
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