Sonntag, 10. Dezember 2017

Annette Maye’s Vinograd Express

Heute abend stand Annette Maye’s Vinograd Express auf der Bühne der Freien Klänge:
Annette Maye – Klarinette
Udo Moll – Trompete
Janko Hanushevsky – Bass
Max Andrzejewsky – Schlagzeug

Der Vinograd Express startet mit geheimnisvoll rauschenden Trommelklängen, über denen erst allmählich und leise E-Baß, Tompete und Saxophon hörbar werden. Und gerade als man sich angesichts des immer deutlicher werdenden osteuropäischen Einschlags der Musik 'und wo bleibt der drive' fragt, beginnt die Musik unter kräftigen Schlägen des Schlagzeugs an Dynamik zuzunehmen. Lauter und kräftiger werdend, erzeugen Annette Mayes Baßklarinette und Janko Hanushevskys Bass ein durchgehendes Grundmuster tiefer Klänge, in das sich die Konzertbesucher hineinversenken können. Eine musikalische Zeitdehnung scheint stattzufinden, in der dann Udo Molls kräftige Trompete die Führung übernimmt.

An vielen Stellen wird die Musik des Vinograd Express von komplizierten rhythmischen Strukturen bestimmt. Da kann dann schon mal jedes der vier Instrumente permanent einem völlig eigenen Takt zu folgen, woraus sich am Ende eine ziemlich wilde Mischung verschiedener Balkan-Stile ergibt, eine Art Speed-Balkan-Folk-Klezmer mit einer Spur Dreigroschenoper. Oder aber der Baß gibt einen beständigen, ins Ohr gehenden 6/8-Takt vor, der in Verbindung mit dem Schlagzeug die Grundlage für die im Vordergrund stehdenden Klarinette und Trompete bilden. Weit von leichthin hörbarer Musik und doch ins Ohr gehend, seltsam vertraut und fremd zugleich.

Später erläutert Annette Maye Hintergründe der Musik des Quartetts, in der sie Elemente der osteuropäischen und jüdischen Musik mit modernen Stilen verbinden. Dabei wollen sie selbst aber weit davon entfernt sein, einfach einen neuen Klezmer zu erfinden. In ihrer sehr frei improvisierten Musik, bei der sehr viel erst auf der Bühne und jedesmal neu entsteht ("in state composing" nennt Annette Maye das), gelingt ihnen das sehr gut.

Bleibt nur noch der Bandname, bei dem es sich vor allem um ein Wortspiel handelt: "vinograd heißt in fast allen slawischen Sprachen Weintraube – zugleich ist Weintraub auch ein jüdischer Name", erklärt Annette Maye. Bei diesem Namen bleibt dem Rezensenten nur noch hinzuzufügen, dass es in den 1930er Jahren die Weintraub Syncopaters gab – damals eine der bekanntesten Tanzband in Berlin. Aber das ist eine andere Geschichte (und auch eine ganz andere Art Musik).


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen