Sonntag, 12. November 2017

Trio Benares

Heute abend war das Trio Benares in der Festung Mark zu hören.
Roger Hanschel – Sax
Deobrat Mishra – Sitar
Prashant Mishra – Tabla

Kaum haben sich die Musiker auf ihre Plätze gesetzt, da klingt schon das letzte Stimmen der Instrumente wie Musik – die Sitar mit ihren wunderbar melodischen Tönen, das metallische Klingen der Tablas, das warme Saxophon. Dann aber, als alles stimmt, geht es richtig los mit einem Feuerwerk an Tönen, mit einer Musik, die die drei Musiker in hoher Geschwindigkeit spielen. Das hat dann nichts mehr von verträumten indischen Klängen. Hier mischt sich die Musik des Orient mit europäischen Klängen.

Am Beginn des Programms steht Assi Ghat, das Titelstück der neuen CD des Trios. Roger Hanschel bezieht sich damit auf die größte der Treppen, die im indischen Benares (daher auch der Name des Trios) zum Ganges hinab führen. Hanschel berichtet von der spirituellen Erfahrung, wenn man dort zur Regenzeit sitzt und auf den beinahe unendlich breit scheinenden Ganges blickt, dessen anderes Ufer im Regendunst verschwindet. Europäischer wird der Hintergrund der Musik – nicht aber ihr Klang –, als Hanschel mit Charlies Reverberations an den Jazzmusiker Charlie Mariano erinnert. Ein stilles Stück auf der Sitar, die Deobrat Mishra virtuos spielt. Der leise Beginn des Stückes läßt die Faszination erkennen, die das Instrument seit langer Zeit auf westliche Musiker ausübt, mit seiner Vielfalt an Zwischentönen und seinen für uns ungewohnt neuen und doch so alten Klangformen.

In Kajari überlagert sich Roger Hanschels Saxophon den traditionellen Sitarklängen und Prashant Mishras leisen Rhythmen auf den Tablas. Hier ist es Hanschel, der sich mit dem Saxophon der indischen Musik anpaßt. Oder dies zumindest versucht, schließlich berichtet er davon, wie ungewohnt exotisch wiederum das Saxophon auf die Ohren indischer Zuhörer wirkt. In diesem Sinn präsentiert das Trio Benares einen musikalischen west-östlichen Diwan, in dem unterschiedliche Traditionen über Kontinente hinweg aufeinandertreffen und Musiker sich verständigen.

Großartig und wild war Extrembiose. Die, wie Hanschel sagte, "Beschreibung einer extremen zwischenmenschlichen Symbiose" beginnt mit verzerrten Klängen auf Hanschels Saxophon, der seinem Instrument Quart- und Quintsprünge in einem extrem schnellen Tempo entlockt. Sähe man ihn nicht allein auf der Bühne sitzen, so meinte man, zwei Instrumente zugleich zu hören, und das auch noch ohne das Instrument überhaupt einmal zum Luft holen abzusetzen. Erst später setzen dann Deobrat Mishra und sein Neffe Prashant Mishra mit Sitar und Tablas ein. Und erst hier erschließt sich der Sinn des Titels: auch die beiden spielen überaus kräftig (und vermutlich extrem für indische Ohren). Die Sitar mit bis zum Zerreißen scharf angespielten Saiten und die metallisch scharf angespielten Tablas erzeugen ein Gegenstück zum Saxophon und bringen westliche und östliche Musik auf ein hochenergetisches Gleichgewicht.

Roger Hanschel war in Magdeburg bereits in mehreren Jazzformationen bei Jazz in der Kammer zu Gast. In der Konzertpause berichtet er davon, wie sein Kontakt zur indischen Musik zustande kam. Eines seiner musikalischen Vorbilder Bismillah Khan war für ihn Anlass, selbst nach Indien zu reisen und den musikalischen Austausch zu suchen. Dort erlebte er, wie sehr sich in die indische Klassik und der Jazz in einem Punkt ähneln: "die Improvisation bekommt in indischer Musik einen großen Raum, etwas was so auch beim Jazz funtioniert". Und es gibt keine notierte Musik. Auch wenn die Kompositionen von ihm stammen, so entstehen sie im gegenseitigen Austausch der drei Musiker, in musikalischer Fusion, durch akustische vor- und nachspielen: "es sind viele Schritte, die wir musikalisch aufeinander zu gehen und uns dann irgendwo in der Mitte treffen". Ein gegenseitiges Vertrauen, das man auch der Musik anmerkt, wenn die Musiker feinfühlig aufeinander hören, sich mit kurzen Blicken verständigen.  

Die Magdeburger Zuhörer erlebten ein großartiges "Weltmusik"-Konzert. Und Veranstalter Warnfried Altmann konnte sich über ein volles Haus freuen ("man sieht das gern, daß noch zusätzliche Stühle herangeholt werden müssen", sagte er).


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