Sonntag, 8. Mai 2016

Tango Transit

Heute war Tango Transit zu Gast bei den Freien Klängen.
Martin Wagner – Akkordeon
Hanns Höhn – Kontrabass
Andreas Neubauer – Schlagzeug


Die Musik des Trios setzt urplötzlich und mit einem kräftigen Beat ein, der gleich die Richtung der Reise zeigt, auf die uns Tango Transit mitnimmt. Denn nimmt man den Namen der Band wörtlich, dann gibt es hier Musik, die zwar von den Ursprüngen und Traditionen des argentinischen Tangos geprägt ist, die aber in unterschiedlichster Weise übertragen wird. Die Band will bewußt nicht nur die Original-Melodien bekannter Tangos wiedergeben. Und so wird gleich zu Beginn des Konzertes drauf los improvisiert, dass es eine Freude hat. Was dabei entsteht, ist irgendwo zwischen traditionellem Tango und Polka, zwischen Jazz und Bluegrass angesiedelt, der Tango verliert seine Melancholie und kommt fröhlich daher. Nur, und auch das wird gleich zu Beginn deutlich, zum Tanzen ist er so wohl weniger geeignet. Das aber ist auch gar nicht das Ziel der Musiker, wie Martin Wagner im Gespräch in der Pause erläutert: Wichtiger ist den Musikern, ihre eigenen Intentionen in die Musik einzubringen.

Auch als sich die Band Piazollas bekannten "Liber Tango" vornimmt, ist das Original nur in kurzen Zitaten zu hören. Im Akkordeon-Solo trifft das typische Instrument des Tango auf Elektroklänge, dann geben Bass und Schlagzeug dem Stück einen schnellen Drive. Vielleicht wäre dafür "Speed-Tango" eine angemessene Bezeichnung . Dann das Titelstück der aktuellen CD "Akrobat". Komponiert vom Bassisten Hanns Höhn, seinen dominanten Bassanteil füllt er improvisierend aus. Wenn Wagner zu einigen Stücken sagt, dass sie sich damit sehr weit vom Tango entfernen, dann trifft das ganz gewiss auf "Fat Cat" zu, zu dem er hinzufügt, "das hat eigentlich gar nichts mehr mit Tango zu tun". In der Tat ist hier die schwungvolle und mitreißende Südstaatenmusik Lousianas zu hören, die einfach gute Laune machte. Vielleicht vermisste man nur noch das Waschbrett als Rhythmusinstrument, aber auch dessen Klänge holte Andreas Neubauer aus Schlagzeug und Percussion heraus.

Gleich darauf geht es in "egypt" in einen ganz anderen Teil der Welt und der Musik. Wenn die Band den argentinischen Tango und die orientalischen Klänge in einer seltsamen Symbiose zusammenführt, bei der mal das eine, mal das andere herauszuhören ist, dann ist diese Musik wie geschaffen für eine Weltmusikreihe wie die Freien Klänge.

Daß Tango Transit für musikalische Späße zu haben ist, zeigt die Band, als sie ihre Stücke "Schlaf" und "Conchillok" (das serbische Wort für Nachbarschaft, wie Martin Wagner dazu erklärt) unmittelbar aneinanderreiht, die Musik zunächst immer sachter wird und Hanns Höhn am Baß stehend "einschläft" – worauf er durch den plötzlichen Einfall wilder Balkanklänge mit kräftigem Schlagzeugeinsatz abrupt geweckt wird. Für die Konzertbesucher ergibt das den selben Effekt, den schon Joseph Hayden in seiner Sinfonie mit dem Paukenschlag lieferte.

Mit "Brain Damage" interpretiert die Band ein Stück aus der Pink-Floyd-Platte "The Dark Side of the Moon)" neu und auf eine sehr eigenwillige und interessante Weise. Nach diesem Ausflug in die englische Rockmusik endete die musikalische Reise in Rumänien: der "Transsilvanian Tango" war deutlich von der traditionellen rumänischen Musik geprägt, das elektronisch verzerrte und verfremdete Akkordeon betonte die Wildheit der Musik, der Tango war sehr in den Hintergrund gedrängt (und lugte daraus doch immer wieder hervor).

Tango Transit ist gewiß keine der herkömmlichen Tangobands, die zum Tanz aufspielen. Aber sie ist auf jeden Fall eine, die anzuhören Spaß macht, die interessante Sichtweisen auf bekannte Melodien liefert und so den Blick für neues öffnet.

Im Anschluss an das Programm legte der Magdeburger Tanzlehrer Frank Röhrig Tangos auf, die dann zu der tanzbaren Sorte gehörten. Spontan hatte er das Konzert zum Anlaß genommen, mit einigen seiner Tänzerinnen und Tänzern in die Festung Mark zu kommen, Tango zu hören und nach dem Konzert Tangos zu tanzen.  Natürlich fragte ich ihn nach seiner Sicht auf die eben gehörten viel wilderen Klänge (und danach, ob so etwas nicht gegen die Seele des Tango verstieße). "Tatsächlich bevorzuge ich zum Tanzen die klassischen alten Tangos, die haben die richtige Seele, die richtige Stimmung für die Tänzer", sagte er. Und die Musik von Tango Transit war eben eine ganz andere, aber auch für ihn sehr interessante Sicht auf den Tango, fügte er hinzu.


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