Warnfried Altmann (sax) und
Hermann Naehring (perc)
Der Konzertabend beginnt diesmal ohne die übliche Ansage – denn Warnfried Altmann, Organisator der Freien Klänge, stand diesmal selbst auf der Bühne, gemeinsam mit seinem langjährigen Freund und Kollegen Hermann Naehring. Wer Naehrings riesiges Instrumentarium, angefangen von kleinen Glocken und Rasseln bis hin zur riesigen Taiko-Trommel auf der Bühne stehen sah, ahnte schon: es wird laut. Wer die beiden Musiker bereits erlebt hat, weiß aber auch, es gibt ebenso die leisen Töne.
Hermann Naehring begann auch gleich, die Taiko-Trommel zu schlagen. Leise erst, dann immer lauter werdend, lotete er die Akustik der preußischen Festungsmauern aus. Als wären diese Töne nicht schon kräftig genug, setzte Altmann deutliche Akzente mit seinem Saxophon, im Wechselspiel mit Naehring sein Spiel mal lauter, mal leiser modulierend. Schon der Beginn ein Fest für die Ohren, die die größtenteils unverstärkt gespielten Töne (nur später der indische Tonkrug bekam ein Mikro spendiert) in voller Intensität aufnehmen konnten, sobald sie sich an die ungeheure Dynamik gewöhnt hatten.
Als Warnfried Altmann dann doch noch zum Mikrofon greift und ein paar Worte zur Einführung in das Konzert spricht, dann liegen ihm zwei Dinge am Herzen. Zum einen, auf den Anspruch der freien Klänge hinzweisen, eine neue Musikmischung in der Stadt und im Kulturzentrum Festung Mark zu etablieren (wofür er sich eine noch größere Zuschauerresonanz und ein Weitersagen des regelmäßigen Konzerttermins wünscht). Zum anderen, "eine Lanze für die improvisierte Musik zu brechen", für Musik, die einfach aus der Freude am gemeinsamen Spiel heraus entsteht, aus dem Vertrauen auf die so entstehenden Melodien und Klangstrukturen. Und setzt das gemeinsam mit Hermann Naehring auch gleich in die Tat um. Wie sich die beiden nur kurz anschauen, sich mit den so unterschiedlichen Instrumenten wie Trommeln und Saxophon gegenseitig Rhythmen zuspielen, die sie jeder wiederholen, verändern, ausbauen, hatte es ein wenig von einem am "alles was Du kannst, das kann ich viel besser" orientierten spielerischen Umgang miteinander.
Wenig später erweist sich Hermann Naehring als einer der großen Meister der Percussion, nicht nur der lauten, sondern auch der ganz leisen Töne. Etwa wenn er auf die Trommel gelegte Becken mit dem Geigenbogen anstreicht oder große Messing-Klangschalen leise ausklingen lässt, bis die letzten Schwingungen beinahe unhörbar werden. Oder wenn er ganz einfach seinen riesigen Regenmacher rauschen läßt, scheinbar minutenlang darauf gestützt und einfach nur lauschend, wie das Publikum diese leisen Klänge aufnimmt. Und das tut es, lässt sich auch auf solche leisen Naturtöne ein. Auch dafür sind die dicken Mauern gut: alle von außen kommenden Fremdgeräusche abzuschirmen und den Raum ganz der Musik zu überlassen.
Das inzwischen auch zur Konzertreihe gehörende Gedicht nach der Pause stammte diesmal von Börries von Münchhausen: "Es liegt etwas auf der Straßen" wurde von Warnfried Altmann in einem Sprechgesang vorgetragen, der an melancholische Lieder der Romantik erinnerte.
Im Zusammenspiel von Altmann und Naehring zeigte sich eine große Vertrautheit, eine Verbundenheit im Geiste der beiden großartigen Improvisateure. Kleine Gesten reichen, schon entwickelt sich die Musik in unerwartete Richtungen. Aus einem komplizierten Rhythmus von Naehring macht Altmann karibische Samba-Rhythmen, aus einem Duett von Xylophon und Saxophon entwickelt sich mal ein Bach-Choral, später dann spanische Klänge. Ravels Bolero in bisher nicht gehörter Interpretation, in völliger Verfremdung und doch erkennbar.
Und ein wenig wirkte nach dem Konzert auch die Anregung zum Improvisieren nach – wenn man etwa beim Nachhausegehen den Wunsch verspürte, einfach leise Melodien vor sich hin zu singen. Waren es nun welche aus dem Konzert oder entsprangen sie gar dem eigenen Kopf?
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